Wohnen zwischen Grundrecht und Finanzanlage
Einerseits gilt das Recht auf Wohnen – dieses umfasst dabei auch den Aspekt der Bezahlbarkeit (Stichwort leistbares Wohnen) – seit 1966 als Teil der Menschenrechte, andererseits erfüllt Wohnen über den eigentlichen Zweck hinaus weitere wesentliche gesellschaftliche Funktionen. Neben den vielfältigen Möglichkeiten, die der eigene Wohnbereich den einzelnen Individuen bietet (Privatsphäre, Raum zur Selbstverwirklichung, Familiengründung, Arbeitsplatz etc.), gilt Wohnraum spätestens seit der Finanzkrise 2007/08 auch in Österreich als begehrte Kapitalanlage.
Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Interessen stellt Wohnen also ein hochkomplexes und umkämpftes Feld dar. Die Frage, wie Wohnraum produziert, verteilt und genutzt wird, hängt letztlich von einer Vielzahl an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren und Dynamiken ab.
Wohnungspolitik oder Wohnungsmarkt?
Die politische Auseinandersetzung mit Fragen rund ums Wohnen wird grundsätzlich als Wohnungspolitik (manchmal auch Wohnpolitik) bezeichnet. Ein verwandter Begriff hierfür ist Wohnungsmarkt. Während die Wohnungspolitik und ihre Beforschung grundsätzlich einen breiteren Zugang zu Schaffung, Verteilung und Nutzung von Wohnraum bieten, ist die Wohnungsmarktforschung häufig auf wirtschaftliche Aspekte fokussiert bzw. beschränkt. Eine solche Perspektive vermag in bestimmten Anwendungsbereichen nützlich zu sein, zugleich birgt sie die Gefahr, bedeutende politische und gesellschaftliche Faktoren zu stark auszuklammern. Ergebnis ist dann ein nur unzureichendes Bild der Realität. Damit sind allzu marktfokussierte Analysen für die realpolitische Umsetzung der Forderung nach leistbarem Wohnen unbrauchbar.
Leistbares Wohnen als Ziel
Die Abhandlung über den Unterschied zwischen Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik zeigt bereits deutlich: Für wissenschaftliche Analysen des Wohnthemas stehen zahlreiche unterschiedliche Ansätze zur Verfügung. Die jeweiligen Perspektiven stellen verschiedene Aspekte ins Zentrum und bedienen damit bestimmte Interessen stärker als andere.
Eine neutrale, rein objektive und “ideologiefreie” Betrachtung, wie sie gerade von Vertreter:innen der Neoklassik – trotz ihrer von neoliberaler Ideologie durchdrängten Ansätze – gerne behauptet wird, ist in Sozialwissenschaften grundsätzlich nicht möglich. Aus diesem Grund ist es gerade in wissenschaftlichen Auseinadersetzungen wichtig, die jeweiligen Ansätze, Perspektiven, Ziele und Interessen transparent zu machen.
Wie der Untertitel “Wohnen wieder leistbar machen” bereits andeutet, liegt der Fokus dieser Website auf wohnungspolitischen Analysen mit dem Ziel, dem Menschenrecht auf leistbares Wohnen gerecht zu werden. Wohnungspolitik.at ist eine unabhängige Informationsplattform und frei von parteipolitischen Einflüssen.
Politische Ökonomie als nützlicher Zugang
In diesem Zusammenhang bediene ich mich der (kritischen) politischen Ökonomie. Anders als beispielsweise rein marktbasierte Zugänge geht die politische Ökonomie davon aus, dass nur die gemeinsame Betrachtung von Markt einerseits und Politik/Gesellschaft andererseits sowie von deren Wechselwirkungen geeignet ist, um unsere komplexe Realtität hinreichend abbilden zu können.
Auf diese Weise können die Auswirkungen auf das alltägliche Leben der arbeitenden Bevölkerung vor Ort (etwa steigende Belastungen durch Wohnkosten) betrachtet werden, ohne dabei große globale Entwicklungen (Inflation, Wirtschaftskrise, Finanzialisierung) aus dem Blickwinkel zu verlieren.
Somit empfiehlt sich ein (kritisch) politökonomischer Ansatz für wohnungspolitsche Analysen und realpolitische Ableitungen (policy advice).